Wir
und ist das wir von sich aus gegen andere?
und ist das wir so kohärent? wer sind denn wir?
sind denn nicht wir die andren für die andren?
für irgendwen sind wir doch alle wir?
wir zwei. wir name, schule ort. wir gegend.
wir studium. wir lebensalter.
wir bildungsgrad, wir klüger, schöner, reflektierter.
wir waren’s nicht. wir haben sie ja nicht gewählt.
wir reisen anders und wir stehen bei der hymne auch nicht auf.
wir lesen nicht die köppelpresse.
wir kicken keine schafe aus dem land.
wir unterschreiben manchmal irgendwelche listen
wir arbeiten für wenig geld für die kultur.
wir sind ganz autonom und meistens individuell.
wir wissen ganz genau um die verblödung.
wir sehen selten fern und niemals weg.
wir treffen uns bei lesungen und vernissagen.
und fürchten uns für die nation, die wir nicht sind.
wir haben angst vor uns, die wir nicht sind.
was denkt man jetzt von uns, die wir nicht sind, im ausland?
wer sind denn wir? auf jeden fall nicht wieder wer.
wir waren niemals wer, das macht es uns auch leichter.
und sind doch besser als die meisten.
wer sind denn unsre väter mütter, länder sprachen?
und warum sind wir nie genug, die wir nicht sind?
Die erste Fassung hiess “Wer sind denn wir” und entstand vor 20 Jahren, unmittelbar nach der Lesung von Wolken.Heim von Elfriede Jelinek im Volkstheater in Wien am 26.10. 1999 (Österreichischer Nationalfeiertag). Diese leicht veränderte “Schweizer Fassung” entstand 2007 nach den Parlamentswahlen und den im Text erwähnten SVP-Plakaten.